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Pflicht des Anlageberaters die Wirtschaftpresse zu lesen

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Der Bundesgerichtshof hat die Maßstäbe für die Haftung von Anlageberatern zugunsten der Anleger weiter konkretisiert und auch lebensnah ausgelegt.

Am 05.11.2009 (unter Az: III ZR 302/08) hat der Bundesgerichtshof geurteilt, dass ein Anlageberater verpflichtet ist, sich zeitnah in der Wirtschaftspresse (vorliegend das Handelsblatt) über die von ihm vertriebenen Anlageprodukte zu informieren. Tut er dies nicht, kann er wegen einer fehlerhaften Beratung in Haftung genommen werden, wenn sich aus diesem Artikel für das Anlageprodukt relevante Umstände ergeben.

Dem entschiedenen Fall lag zugrunde, dass der Berater dem Kläger die Beteiligung an einer stillen Gesellschaft Ende Mitte 1998 empfohlen hatte. Bereits Anfang Dezember 1998 hatte das Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleitungen den Vertrieb dieser Beteiligungen untersagt, da ein unerlaubtes Einlagegeschäft vorgelegen habe und die Rückabwicklung angeordnet. Kurze Zeit später, aber immer noch 3 Tage vor dem Beratungstermin, berichtete das Handelsblatt hierüber. Der Anlageberater hatte das Handelsblatt nicht abonniert und auch nicht gelesen. Die Anlegerin hatte dann erst im Jahre 2000 von dieser Untersagung erfahren, als sie aufgefordert wurde, eine andere Beteiligung einzugehen, da ansonsten eine Insolvenz der Gesellschaft drohe.

Der BGH hat geurteilt, dass sich ein Anlageberater neben einer Plausibilitätsprüfung der Anlage auch in der Wirtschaftpresse (hierzu gehören das Handelsblatt, die Financial Times Deutschland, die Börsenzeitung und die Frankfurter Allgemeine) informieren müsse. Ob er dabei alle vier Medien als Information einbeziehen müsse, blieb dahingestellt. Der Berater müsse selbst entscheiden, für welche Informationsquelle er sich entscheidet. Diese müsse aber ausreichend sein. Jedenfalls sei die Lektüre des Handelsblattes für einen Anlageberater unverzichtbar. Dieses biete werktäglich durch die besondere wirtschaftliche Ausrichtung relevante Informationen für Anlageberater. Als bahnbrechend ist hier zu benennen, dass der BGH ab Erscheinungstag dem Anlageberater maximal 3 Werktage zubilligt, um von der Information Kenntnis zu nehmen. Der Anleger dürfe erwarten, dass sich ein Berater zeitnah über Berichte in der Wirtschaftspresse Kenntnis verschafft. Eine Woche sei hierzu zu lang.

Auch nicht erst eine mehrmalige negative Nennung eines Anlageproduktes in der Wirtschaftpresse begründe im vorliegenden Fall eine Aufklärungspflicht, da es nicht um wertende Aussagen zu Rendite oder Sicherheit, sondern um eine objektive Untersagung des Geschäftsbetriebes gehe.

Aufgrund dieser Rechtsprechung müssen sich sicher viele Anlageberater „warm anziehen“. Sicher ist nicht im jedem Fall bei einem fehlenden Hinweis auf eine Pressemitteilung auch sofort eine Aufklärungspflicht verletzt. Jedoch wird man aufgrund dieser Rechtsprechung sehr viel schneller im Einzelfall zu dem Ergebnis kommen müssen, dass ein Anlageberater sich schadensersatzpflichtig bei einem unterlassenen Hinweis gemacht haben kann.